Ferien in Frankfurt 1.
Willkommen in Frankfurt Der
Frankfurter Flughafen ist wie Deutschland: modern, sauber, ordentlich. Aber
mein Gepäck ist trotzdem verschwunden. „Palermo IA3537“, stand auf dem
Bildschirm. Nach fünf Minuten startete das Gepäckband. Die anderen Passagiere
nahmen ihre Koffer und Taschen. Ich habe eine halbe Stunde gewartet. Aber das
Gepäckband war leer. „Singapore SA3537“, stand jetzt auf dem Bildschirm. Fünf
Minuten später startete das Gepäckband und die Passagiere aus Singapur nahmen
ihre Koffer und Taschen. Ich ging zu einem Schalter mit der Aufschrift
„Verlorenes Gepäck“. Der
Mann hinter dem Schalter sagte: „Ja?“ „Mein Gepäck“,
sagte ich. „Es ist nicht angekommen.“
„Gepäckabschnitt“, sagte der Mann. „Entschuldigung?“,
sagte ich. „Ihre Bordkarte“, sagte der Mann. Ich suchte in meiner Hosentasche
und gab dem Mann die zerknitterte Bordkarte. Er tippte etwas in seinen
Computer. „Palermo?“, sagte er. Ich nickte. Dann gab
er mir ein Formular. „Name, Adresse, Telefon“, sagte er. „Adresse?“, fragte ich. „Ihre Adresse in Deutschland“, sagte der
Mann. „Ich … wohne in Sizilien“, sagte ich. „Ja,
aber wo werden Sie in Deutschland wohnen?“, fragte
der Mann. „Bei meinem Bruder“, sagte ich. „Und wo wohnt Ihr Bruder?“, fragte er. „In Frankfurt“, sagte ich. „Aber wo?“, sagte der Mann und schüttelte seinen Kopf. „Frankfurt
ist eine große Stadt.“ „In einem Haus?“, sagte ich. „Ich weiß nicht …“ Der
Mann seufzte und sagte: „Okay, dann Ihre Email, bitte!“ Ich schrieb meine
E-Mail-Adresse auf und sagte: „Telefonnummer …“ „Wissen
Sie nicht? Macht nichts. Wiedersehen!“, sagte der
Mann. „Eine Frage noch“, sagte ich.
Der Mann hinter dem Schalter runzelte seine Stirn. „Wann bekomme ich mein
Gepäck?“, fragte ich. Der Mann lachte und sagte:
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Vielleicht in drei Tagen, aber vielleicht
erst in zwei Wochen.“ „Zwei Wochen?“,
sagte ich. „Aber meine Kleidung ist in dem Koffer! Was soll ich tun?“ „Tut mir Leid“, sagte der Mann. „Jedes Jahr gehen 25
Millionen Gepäckstücke verloren. Das sind knapp 3000 Koffer und Taschen pro
Stunde! Wenn es Sie beruhigt, Sie sind nicht der einzige.“ 2.
Ein Name, zwei Städte Mein
Bruder Alfredo hat mich vom Flughafen abgeholt. Er fährt einen silbernen BMW
Cabrio. Der Kofferraum ist sehr klein. Aber ich habe glücklicherweise kein
Gepäck. Glück im Unglück? Von der Autobahn kann man Wolkenkratzer sehen. „Die
Skyline von Frankfurt“, sagt Alfredo. Es dämmert langsam. „Wohnst du in einem
Wolkenkratzer?“, frage ich. Alfredo lacht und sagt:
„Nein. Die meisten Türme sind Banken. Frankfurt ist Deutschlands finanzielles
Herz.“ Mein Bruder arbeitet für eine amerikanische
Bank. „In Frankfurt gibt es mehr als 240 Banken aus aller Welt“, sagt er.
„Hier ist die Börse. Hier liegt das Geld in der Luft!“ Alfredo wohnt jetzt in Frankfurt, weil sein Chef in New
York gesagt hat, er soll ein Jahr in Frankfurt wohnen. Die amerikanischen
Banken haben Probleme. Alfredo soll von den deutschen Banken lernen, wie man
mehr Geld macht. „Deutschland ist wichtig für Europa. Und Europa ist ein wichtiger
Partner für Amerika“, sagt mein Bruder. Wir fahren eine Weile durch die
Dämmerung. Die Wolkenkratzer glitzern in der Dunkelheit. Dann parkt Alfredo
den BMW, und wir gehen in seine Wohnung. Alfredos Wohnung ist ein Loft mit
Ausblick auf den Main, Frankfurts Fluss. „Schön, oder?“,
sagt Alfredo und zeigt durch die Fenster auf die Lichter der Stadt. „Wusstest
du, dass es zwei Städte mit dem Namen Frankfurt gibt?“,
sagt Alfredo. „Es gibt Frankfurt am Main, und Frankfurt an der Oder.“ „Oder was?“, frage ich.
„Nein“, sagt Alfredo und lacht. „Das ist der Name des des Flusses. Der Fluss
heißt Oder!“ „Ach so!“,
sage ich. „Ein komischer Name für einen Fluss.“
„Okay“, sagt Alfredo. „Ich muss geh’n. Im
Kühlschrank ist Bier, und wenn du hungrig bist, kannst du eine Pizza
bestellen.“ „Wo gehst du hin?“,
frage ich. „Wohin? Zur Arbeit, natürlich“, sagt Alfredo. „Bis später!“ Ich höre die Tür. Dann ist alles still. Ich bin in
Alfredos Loft, allein mit den Lichtern der Stadt. 3.
Shoppingtour Ich
bin jetzt fast eine Woche lang in Frankfurt. Ich schaue viel Fernsehen und
surfe im Internet. Meinen Bruder sehe ich nicht oft. Er steht auf, wenn ich
noch schlafe. Und wenn er von der Arbeit kommt, bin ich meistens schon im
Bett. Mein
Gepäck ist immer noch nicht angekommen. Ich habe beim Flughafen angerufen.
Sie sagen, sie wissen nichts. In der Zwischenzeit trage ich die Kleidung
meines Bruders. Er ist ein bisschen größer als ich. Die Hosen sind ein
bisschen zu lang, die Hemden ein bisschen zu weit, aber es ist besser als
nichts. Vorgestern war ich auf der Zeil. Das ist eine große Fußgängerzone in
der Innenstadt. Dort kann man alles kaufen: Italienische Mode, Delikatessen,
Plasmafernseher, Meerschweinchen und vieles mehr. Ich habe eine Zahnbürste,
Unterhosen und Socken gekauft. Dann bin ich mit der U-Bahn nach Hause
gefahren. In der U-Bahn waren Menschen aus aller Welt. Ich habe eine Gruppe
japanischer Touristen gesehen, zwei Frauen in Burka, einen Mann mit einem
Turban und viele Leute mit grauen Anzügen. Ich glaube, die Männer und Frauen
mit den grauen Anzügen arbeiten in den Banken. Oder sie haben alle ihr Gepäck
verloren und tragen die Kleidung ihrer Geschwister, wie ich. In
Alfredos Wohnung habe ich mit meiner Mutter telefoniert. Sie hat gesagt, sie
ist sehr glücklich, dass ich zusammen mit Alfredo in einer Bank arbeite. Sie
weiß nicht, dass ich nicht arbeite. Ich muss zuerst
Deutsch lernen. Das ist das Wichtigste, wenn man in Deutschland lebt. Nur
wenn man gut Deutsch spricht, kann man eine Arbeit finden. Leider ist mein
Deutsch noch nicht gut genug. Ich lerne zur Zeit Deutsch im Internet. Es gibt
dort eine Gruppe. Wir sollen auf Deutsch chatten, aber meistens sprechen wir
Englisch. Vielleicht muss ich einen Deutschkurs in Frankfurt besuchen?
Ehrlich gesagt ist der Fernseher im Moment mein bester Lehrer. Ich schaue
Talkshows und Filme auf Deutsch. Ich verstehe nicht alles, aber das ist egal.
Alfredo hat einen großen Fernseher, ein gemütliches Sofa, und mein Deutsch
ist gut genug, um jeden Tag Pizza zu bestellen. 4.
Überraschungsbesuch Heute
Morgen ist etwas Komisches passiert. Wie jeden Morgen habe ich einen Kaffee
getrunken. Dann habe ich geduscht. Als ich aus der Dusche kam, – nur mit
einem Handtuch bekleidet – stand eine brünette junge Frau im Wohnzimmer.
„Oh“, sagte sie und lächelte. „Guten Morgen!“ „Wer
sind Sie?“, fragte ich. „Was wollen Sie?“ „Dasselbe kann ich dich fragen. Was machst du hier?“, fragte sie. „Ich … ich habe geduscht“, sagte ich. „Das
sieht man“, sagte die junge Frau. Ihre grünen Augen starrten mich an. „Aber
wie bist du in die Wohnung gekommen?“ „Mein Bruder“,
sagte ich. „Das ist die Wohnung meines Bruders.“
„Oh“, sagte die junge Frau und lachte. „Entschuldigung. Ich … ich dachte …“ Sie ging zur Tür. „Einen Moment“, sagte ich und ging ins
Schlafzimmer. Dort zog ich schnell etwas an. Dann ging ich zurück ins
Wohnzimmer. „Was dachten Sie?“, fragte ich. „Lass
das Siezen, bitte!“, sagte sie. „Okay“, sagte ich.
„Was dachtest du?“ „Christa“, sagte die Frau und gab
mir die Hand. „Ich wohne im Erdgeschoss. Mein Vater ist der Vermieter.“ „Du bist die Tochter des Vermieters?“,
sagte ich. „Ja“, sagte sie. „Ich komme oft hier ins Loft. Hier habe ich meine
Ruhe. Ich mag den Ausblick auf den Main. Der silberne BMW war nicht auf dem
Parkplatz. Und ich dachte …“ „Niemand ist zu
Hause?“, fragte ich. Sie nickte. „Dino“, sagte ich und gab ihr meine Hand.
„Es ist gut, dass du hier bist.
Frankfurt ist so eine langweilige Stadt.“
„Moomendemal!“, sagte Christa. „Wie bitte?“, sagte ich. Christa lachte und sagte: „Verstehst du
kein Hessisch? Ich habe gesagt: Moment mal! Frankfurt ist keine langweilige
Stadt.“ „Aber man kann hier nichts machen“, sagte
ich. „Nur arbeiten und einkaufen.“ Christa
schüttelte den Kopf. „Komm, wir gehen jetzt erst einmal einen Äbbelwoi
trinken.“ „Was? Moment!“,
sagte ich. „Ich … vielleicht habe ich andere Pläne …“ „Und?
Hast du andere Pläne?“, fragte sie. „Äh … nein“,
sagte ich. „Gut, ich auch nicht“, sagte Christa. „Komm!“ 5.
Handkäse mit Musik Christa
und ich sitzen in einer Apfelwein-Kneipe in Sachsenhausen. Das ist ein
Stadtteil in Frankfurt mit vielen Restaurants und Kneipen. Hier gibt es keine
Wolkenkratzer. Alles ist klein und traditionell. „Wie
schmeckt der Äbbelwoi?“, fragt Christa und zeigt auf
mein Glas. „Sehr sauer“, sage ich. Christa lacht. „Okay, hör zu!“, sagte Christa. „Der Krug hier, das ist der Bembel. In
dem Bembel ist Apfelwein. Ich habe den Apfelwein mit Mineralwasser gemischt.
Das heißt Saurer.“ „Okay“, sagte ich. „Es gibt auch
eine süße Variante“, sagte Christa. „Wirklich?“,
sagte ich. „Ja“, sagte Christa. „Das ist Apfelwein mit Limonade.“ Ich habe Kopfschmerzen. Zu viele Wörter, oder zu viel
Wein? In der Kneipe sitzen Touristen und Einheimische zusammen. In einer Ecke
sitzt eine Gruppe amerikanischer Touristen. Sie singen Lieder aus den 80er
Jahren. Am Tisch neben uns sitzt ein Mann und eine Frau. Sie trinken ihren
Äbbelwoi. „Schau mal“, sagt Christa und zeigt auf einen japanischen Touristen
mit einer Brille. Der Japaner sitzt ganz alleine an einem großen Tisch. Vor
ihm steht ein großer Bembel und ein Teller voll mit Fleisch. „Schläft er?“, frage ich. „Er bewegt sich nicht.“ Plötzlich
fällt der Tourist mit dem Kopf auf den Tisch. Sein Gesicht landet auf dem
Teller. Er schnarcht. „Keine Sorge! Das passiert hier jeden Tag“, sagt
Christa. „Oh, da kommt der nächste Bembel.“ „Was ist
das?“, frage ich. „Riechst du das?“
„Ja. Ich habe Handkäse mit Musik bestellt“, sagt Christa. „Hier, nimm ein Stück!“ Christa gibt mir ein Stück Handkäse. Ich versuche,
nicht durch die Nase zu atmen. „Wie schmeckt es?“,
fragt Christa. Ich kaue. „Gut?“, fragt sie. Ich
schlucke. „Noch ein Stück?“. Ich schüttle den Kopf
und sage: „Gib mir Äbbelwoi!“ Ich trinke schnell ein
großes Glas. Dann sage ich: „Der Handkäse ist … okay. Aber wo ist die Musik?“ „Die Musik kommt später“, sagt Christa und lacht.
„Verstehe ich nicht“, sage ich. „Hast du schon einmal Bohnen gegessen?“, fragt Christa. „Der Handkäse macht dieselbe ‚Musik’!“ Ich
trinke meinen Apfelwein. Die amerikanischen Touristen singen keine Lieder
mehr. Sie haben zu viel getrunken. „Schau“, sage ich und zeige auf den
japanischen Tourist. Er öffnet seine Augen, hebt den Kopf
und schaut auf seine Uhr. Dann nimmt er einen schwarzen Koffer und
verlässt die Kneipe. 6.
200 Meter über Frankfurt Nach
der Apfelweinkneipe sind Christa und ich in der Frankfurter Altstadt
spazieren gegangen. Christa hat mir den Römer gezeigt. So heißt das Rathaus
Frankfurts. Es ist ein sehr altes Haus. „Warum Römer?“,
fragte ich Christa. „Warum nicht Deutscher oder Frankfurter?“ „Ich
weiß nicht“, sagte Christa und lachte. „Ich glaube, hier war einmal ein
römisches Militärlager.“ „Wie alt sind diese Häuser?“, fragte ich und zeigte auf ein paar Fachwerkhäuser auf
der anderen Seite. „Das sind Rekonstruktionen aus den 80er Jahren“, sagte
Christa. „Die Originale wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.“ „Oh“, sagte ich. „Das ist schade.“
Das Wetter war gut. Der Himmel war blau und die Sonne schien. Christa und ich
sind am Mainufer spazieren gegangen. Es ist nett dort. Man kann auf grünen
Wiesen am Ufer sitzen. Danach
sind wir zum Maintower gegangen. Das ist ein Wolkenkratzer mit einer
Aussichtsplattform. Man muss Eintritt bezahlen und
durch einen Sicherheitscheck gehen, wie im Flughafen. Dann kann man mit dem
Fahrstuhl 200 Meter nach oben fahren. Von der Plattform aus hat man eine gute
Aussicht über Frankfurt. „Es gibt hier vielleicht nicht so viele
Wolkenkratzer wie in New York oder London, aber die zehn höchsten Gebäude
Deutschlands sind alle in Frankfurt“, sagte Christa. Es wurde langsam Abend.
Der Himmel war rot. „Was ist das?“,
fragte ich und zeigte auf ein paar Berge. „Die Alpen?“
„Machst du Witze?“, sagte Christa. „Das ist der Taunus!“ „Ja“, sagte ich und lachte. „Ich mache Witze.“ Wir standen still auf der Aussichtsplattform, 200 Meter
über Frankfurt. Hinter den Bergen ging die Sonne
langsam unter. Christa gähnte und sagte: „So, jetzt hast du Frankfurt
gesehen. Du hast recht, es ist ein bisschen langweilig hier.“
„Nein“, sagte ich. „Ich habe sehr viel gesehen heute. Frankfurt ist sehr
interessant!“ „Ich hoffe, du sagst das nicht nur“,
sagte Christa. „Nein, ehrlich“, sagte
ich. 7.
Fast wie zu Hause Heute
ist mein Gepäck angekommen. Endlich! Ich habe gefragt,
was das Problem war. Man hat mir gesagt, dass mein Koffer nie in Frankfurt
angekommen ist. Er ist mit einem anderen Flugzeug von Palermo nach Marrakesch
geflogen. Der Koffer sieht nicht gut aus. Er hat viele Beulen und Kratzer.
Aber alle meine Sachen sind noch da. Jetzt muss ich nicht mehr die Kleidung
meines Bruders tragen. Apropos, heute habe ich mit Alfredo Mittag gegessen.
Zum ersten Mal seit sieben Tagen hat er Zeit für mich gefunden. Wir sind in
ein kleines italienisches Restaurant gegangen. „Die Pizza und Pasta hier ist
fast wie zu Hause“, sagte Alfredo. „Was willst du trinken?“
„Wasser“, sagte ich. „Kein Bier?“, fragte Alfredo.
„Nein“, sagte ich. „Ich habe einen Kater von dem Apfelwein.“
„Apfelwein?“, fragte Alfredo. „Es ist eine lange Geschichte“, sagte ich.
Alfredo bestellte ein Bier und ich Wasser. „Wie findest du Frankfurt?“, fragte Alfredo. „Ich mag die Skyline und das
Mainufer“, sagte ich. „Wusstest du, dass Frankfurts Bevölkerung am Tag höher
ist als in der Nacht?“, fragte Alfredo. „Nein, warum?“, sagte ich. „Mehr als 300.000 Menschen sind Pendler.
Sie arbeiten in Frankfurt, aber sie wohnen nicht hier. Meine Kollegen zum
Beispiel wohnen alle im Taunus.“ Alfredo bestellte
ein Bier und eine Pizza Quattro Stagioni, ich Spaghetti alla siciliana. „Hast
du mit Mama telefoniert?“, fragte Alfredo. „Ja“,
sagte ich. „Sie denkt, du arbeitest in einer Bank, Dino“, sagte Alfredo. „Ja“,
sagte ich. „Was soll ich sagen?“ „Ich weiß nicht“,
sagte Alfredo. „Aber ich meine … du bist jetzt fast dreißig Jahre alt …“ „Und?“, sagte ich. „Naja, was willst du mit deinem Leben
machen?“, fragte Alfredo. „Ich weiß nicht“, sagte
ich. „Ich lerne Deutsch. Für meine Zukunft.“ „Das
ist gut“, sagte Alfredo. „In Italien gibt es nicht viel Arbeit.“ „Wenn du mir nicht mehr helfen willst, auch okay“,
sagte ich. „Nein, Dino. Das ist kein Problem. Mein Einkommen ist sehr gut.
Ich habe keine Frau, keine Kinder. Ich habe keine Zeit, mit meinem Geld etwas
zu machen. Ich arbeite ohne Pause. Ich bin glücklich, dass ich dir helfen
kann.“ „Warum
„Warum arbeitest du eigentlich so viel?“, fragte
ich. „Ist es nicht langweilig?“ „Ich arbeite hart,
damit ich später ein gutes Leben habe“, sagte Alfredo. „Aber genug jetzt. Ich
bin froh, dass du hier bist. Schau, da kommt unser Essen!“ 8.
Sechs Stunden Aufenthalt Ich
habe heute Ted getroffen. Ted war mein Mitbewohner in einer WG in Berlin. Er
war auf dem Weg nach New York und hatte sechs Stunden Aufenthalt in
Frankfurt. Ich habe Ted vom Bahnhof abgeholt. Er grinste und sagte: „Hi Dino,
wie geht’s?“ „Alles
gut. Und du?“, antwortete ich. „Es ist okay“, sagte
Ted. „Ich muss wieder zurück nach New York. Mein
Visum ist abgelaufen.“ „Oh“, sagte ich. „Das ist
schade.“ „Ja“, sagte Ted. „Verdammt schade.“ „Und jetzt? Was machen wir?“,
fragte ich. „Was kann man in Frankfurt machen?“, fragte
Ted. „Willst du Apfelwein trinken gehen?“, fragte
ich. „Nein danke“, sagte Ted. „Ich war gestern auf einer Party. Ich habe
einen Kater in der Größe von Texas.“ „Okay“, sagte
ich. „Willst du die Skyline von Frankfurt sehen?“
„Skyline? Diese drei, vier Türme? Habe ich schon vom Flugzeug gesehen“, sagte
Ted. „Mmmh“,
sagte ich. „Ich habe gelesen, es gibt in Frankfurt einen guten Zoo“, sagte
Ted. „Du willst in den Zoo gehen?“, fragte ich. „Ja,
warum nicht?“, sagte Ted. Der Frankfurter Zoo ist im
Stadtteil Ostend. Wir sind zu Fuß gegangen. „Welche Tiere willst du sehen?“, fragte ich. „Lass uns mit den Fischen beginnen“, sagte
Ted. Wir gingen in das Zoo-Aquarium. „Ich mag diese Atmosphäre“, sagte Ted.
„Es ist so still und dunkel.“ Wir gingen langsam
durch das Aquarium. „Was habt ihr mit meinem WG-Zimmer gemacht?“, fragte ich. „Eine junge Spanierin ist in dein Zimmer
eingezogen. Sie war sehr hübsch. Aber sie hatte einen schlechten Charakter“,
sagte Ted. „Wie meinst du?“, fragte ich. „Lass
uns über etwas anderes reden“, sagte Ted. „Okay“, sagte ich und zeigte auf
ein Aquarium mit Piranhas. „Schöne Zähne!“ Ted
lachte. Neben uns stand eine Familie mit drei Kindern vor einem Aquarium mit
einem Clownfisch. Die Kinder klopften an das Glas und
schrien: „Mami, Mami! Das ist der Fisch aus dem Film! Mami, Mami!“ „Okay, genug Aquarium für heute“, sagte Ted. „Lass uns
gucken, was die Affen machen.“ Wir gingen ins
Affenhaus. Es war heiß. Ein großer, schwarzer Gorilla saß auf einem Stein.
Die Orang-Utans hingen faul von einem künstlichen Baum. Aber
die Schimpansen waren sehr aktiv. Sie rannten und sprangen wie
verrückt. „Vermisst du Berlin?“, fragte Ted. „Ein
bisschen“, sagte ich. „Aber nicht das Wetter!“ Ted
lachte und sagte: „Ja. Warum hat Berlin nicht das Klima von San Francisco?
Das wäre perfekt!“ „Ja“, sagte ich. „Berlin am Meer. Gute Idee!“ Ted schaute
auf sein Telefon und sagte: „Verdammt, ich habe nur noch zwei Stunden.“ Wir verließen den Zoo und gingen langsam durch die
Stadt zurück zum Bahnhof. „Wie geht es eigentlich Gustavo, unserem
mexikanischen Mitbewohner?“, fragte ich. „Er spielt immer
noch sein Heavy Metal, jeden Morgen“, sagte Ted. „Mannomann!“,
sagte ich. „Und Chang?“ „Unser Chinese? Wieder
zurück in Hongkong“, sagte Ted. Der Zug zum Flughafen stand schon auf dem
Gleis. „Okay, ich muss los!“, sagte Ted. „Gute
Reise“, sagte ich und gab Ted die Hand. „Mach’s gut, Dino“, sagte Ted und
stieg in den Zug. 9.
Blaulicht im Rotlichtviertel Im
Bahnhofsviertel habe ich meinen Bruder getroffen. Er war mit seinen Kollegen
zusammen. Sie trugen alle graue Anzüge. „Hey, Dino“, sagte er. „Willst du
mitkommen?“ „Wohin?“,
fragte ich. „Wir gehen was trinken“, sagte Alfredo. „Okay“,
sagte ich. Wir gingen los. Es war dunkel. Im Bahnhofsviertel gibt es viel
Neonlicht. Dort sind viele Kneipen, Restaurants und Bordelle. „Es ist ein
bisschen wie Amsterdam hier“, sagte Alfredo. An einer Ecke saß ein Mann auf
der Straße. Er schrie etwas. „Was ist sein Problem?“,
fragte ich. „Das ist ein Junkie“, sagte Alfredo. „Es gibt hier sehr viele.“ „Keine Sorge“, sagte einer der Banker. „Wir ignorieren
sie, sie ignorieren uns.“ „Leben und leben lassen“,
sagte ein anderer Banker und lachte. Wir gingen weiter. Ich zeigte auf eine
Straßenecke und sagte: „Oh, Döner! Wie in Berlin!“
„Was ist Döner?“, fragte Alfredo. „Du hast noch nie
Döner gegessen?“, sagte einer der Banker. Alfredo schüttelte
den Kopf. Die Banker lachten. „Wirklich nicht?“,
fragte ich. „Willst du es probieren?“ „Nein“, sagte
Alfredo. „Ich bin nicht hungrig. Es war ein langer Tag. Ich brauche Bier.“ Einer von Alfredos Kollegen sagte zu mir: „Wir Banker
arbeiten zu viel und haben immer schlechte Laune. Wir brauchen viel Bier.“ „Da vorne“, sagte Alfredo. „Da ist unsere Stammkneipe.“ Aber die Tür war blockiert.
Vor der Kneipe stand eine Gruppe von Männern. Ein
Mann schrie etwas. Ein anderer Mann schlug ihm auf den Kopf. Er blutete. Nach
ein paar Sekunden kam die Polizei mit Sirene und Blaulicht. Die
Polizisten redeten mit den Männern. Dann gingen sie wieder. „Kommt ihr?“, sagte einer der Banker. „Aber …“, sagte ich. „Was war
das?“ „Das ist normal hier“, sagte Alfredo. „Aber
der Mann hat geblutet. Warum hat die Polizei nichts gemacht?“,
fragte ich. „Das sind Junkies“, sagte einer der Banker. „Da kann man nichts
machen.“ „Nein, aber ich meine …“, sagte ich. „Egal.“ Die Banker gingen in die Kneipe. „Kommst du?“, fragte Alfredo und zeigte auf die Tür. „Nein danke“,
sagte ich. 10.
Alle Städte, ein Preis Alfredo
muss zurück nach New York. Sein Chef hat gesagt, er
braucht ihn in Amerika. „Was machen wir mit unseren letzten Tagen in
Frankfurt?“, fragte Alfredo. „Eins
ist klar, du musst Döner probieren“, sagte ich. Alfredo lachte und sagte:
„Okay.“ Also gingen wir in einen Dönerladen in der
Innenstadt. „Wie schmeckt es?“, fragte ich. „Das ist
perfekt“, sagte Alfredo. „Sehr lecker!“ „Ja“, sagte
ich. „Aber der Döner hier in Frankfurt ist sehr teuer.“
„Wirklich? Fünf Euro ist doch nicht teuer!“, sagte
Alfredo und kaute. „Ja“, sagte ich. „Aber in Berlin kostet ein Döner nur zwei
Euro.“ „Ich war noch nie in Berlin“, sagte Alfredo.
„Vielleicht nächstes Mal“, sagte ich. „Berlin ist wie ein anderer Planet.“ „Und was wirst du jetzt machen?“,
fragte Alfredo. „Wenn ich nach New York gehe?“ „Ich
weiß noch nicht“,sagte ich. „Vielleicht gehe ich für
ein paar Wochen nach Sizilien. Oder vielleicht gehe ich in eine andere
deutsche Stadt.“ „Und was ist mit Arbeit?“, fragte Alfredo. „Vielleicht kann ich in Italien als
Touristenführer arbeiten. Ich spreche Englisch und ein bisschen Deutsch“,
sagte ich. „Aber warum arbeitest du nicht in Deutschland?“,
fragte Alfredo. „Mein Deutsch ist noch nicht gut genug“, sagte ich. ***
Zwei
Tage später ging ich mit Alfredo zum Flughafen. Wir hatten unsere Koffer in
der Hand. Alfredo hatte ein Ticket nach New York. Ich hatte noch immer keine
Ahnung, wohin ich gehen soll. „Mach’s
gut, Dino“, sagte Alfredo. Wir umarmten uns. „Arbeite nicht zu viel!“, sagte ich. Alfredo lächelte. Dann ging er durch den
Sicherheitscheck. Ich stand mit meinem Koffer
alleine im Frankfurter Flughafen. Von dort kann man in die ganze Welt
fliegen: Asien, Amerika, Australien, Afrika – nur ein Ticket entfernt. Aber
vielleicht hatte Alfredo Recht. Vielleicht sollte ich versuchen, in
Deutschland Arbeit zu finden. Alles, was ich brauche, ist ein besseres
Deutsch. Ich drehte mich um und verließ den Flughafen. Da sah ich ein Schild
mit der Aufschrift: „Alle Städte, ein Preis – Busreisen von Frankfurt nach
Hamburg, Berlin, Köln, Dortmund, München und mehr. Nur 30 Euro!“ Eine halbe Stunde später stand ich am
Busbahnhof. Ich kaufte ein Ticket und setzte mich in den erstbesten Bus. |